In einem Atemzug mit dem Münchner Olympiastadion und der Elbphilharmonie Hamburg darf das neue Zuschauerdach am Passionsspielgelände Sömmersdorf genannt werden: Weil bei ersterem der gleiche (Prüf-)Statiker für die neuartige Dachkonstruktion am Werk beteiligt war, bei zweitem die gleiche Firma Velabran eine „spannende Lösung“ mit Stahlkonstruktion und Membran anbot, dort für den Klangreflektor über dem Orchester.

Kreativität und Know-how, aber auch den Einsatz aller beteiligten Planer, Statiker und Firmen am 2,7 Millionen Euro-Projekt in Sömmersdorf würdigte Bayerns Innenstaatssekretär Gerhard Eck auf der Baustelle. Der Donnersdorfer Politiker setzt sich besonders für das Leuchtturmprojekt im Landkreis Schweinfurt ein. Er unterstützte den Verein Fränkische Passionsspiele dabei, die Finanzierung durch verschiedene öffentliche Geldgeber in trockene Tücher zu bekommen.

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Auch weil er selbst aus dem Baufach kommt, weiß er, wie schwierig es angesichts boomender Baukonjunktur ist, überhaupt Firmen und Fachleute zu bekommen. Es läge ihm am Herzen, für die vorzügliche Arbeit Dank zu sagen, meinte Eck, den Euerbachs Bürgermeister Arthur Arnold den „Schirmherr“ des Projekts nannte.

Gleichzeitig spornte Eck angesichts des Zeitdrucks bis zum ZDF-Gottesdienst auf der Passionsspielbühne am 27. Mai und bis zur Premiere der Passionsspiele am 24. Juni an. „Wir müssen jetzt so viel Zeit wie möglich rausholen“, gab er den Firmenvertretern mit. Hand in Hand müsse gearbeitet werden. Denn zwischendurch habe er etwas bangen müssen.

Nach der Fertigstellung der mächtigen Stahl-Beton-Fundamente und -Widerlager für die Dachkonstruktion ist mittlerweile die letzte Fläche auf dem Platz nach dem Verlegen von Versorgungsleitungen von der Schweinfurter Baufirma Pfister wieder zubetoniert. Eigens für das besondere Projekt Sömmersdorf habe er auch eine andere Baustelle vorübergehend hintenan gestellt, berichtete Rudi Pfister.

Früher als erwartet ist auch die Geretsrieder Stahlbaufirma Lehmann am Werk: Die Vorbereitungen für den Aufbau des Stahltragwerks am Platz laufen, berichtete Vereinsvorsitzender Robert König. Angeliefert wurden auch die ersten beiden mächtigen, 6,5 Tonnen schweren Stahl-Fußpunkte, die auf die Widerlager geschraubt werden. Die Fußpunkte dienen den zwei fachwerkartigen, gegenläufig geneigten Bogenbinderpaare quer über den Platz. Über 45 Meter werden sich diese frei über den Zuschauerraum wölben. Zwölf Fachwerkträger werden dann längs darin eingebunden, auf 40 Meter von der Robert-Seemann-Halle bis zur Freilichtbühne. Mit dem Aufbau wird am Dienstag nach Ostern begonnen, mit Hilfe eines 100-Tonnen-Krane werden dann die Stahlteile aneinandergefügt.

Dass die bogenförmige Dachkonstruktion des Oberwerrner Architekten Michael Theiss ein Sondergebiet der Baustatik ist, verdeutlichte Alexander Joachim vom gleichnamigen Schweinfurter Ingenieurbüro. Gewaltige Kräfte wirken dort, weshalb die vier Widerlager auch mit je 130 Meter Micropfählen in das Erdreich eingespannt sind, jedes Fundament fünf Tonnen Stahl und 25 Kubikmeter Beton erhielt.

Dem Vier-Augen-Prinzip entsprechend wurden die Berechnungen des Büros, durchgeführt von Ingenieur Stephan Knop, von der Landesgewerbeanstalt Würzburg überprüft. Partner dort war ausgerechnet der Statiker Dr. Gastmeyer, der schon das Dach des Münchner Olympiastadions berechnet hatte, sagte Joachim. Was damals ebenfalls eine große Herausforderung für Planer, Statiker und Firmen war.

Anders als das dortige Plexiglas wird aber eine helle Membran aus Polyestergewebe mit PVC-Beschichtung die 1600 Quadratmeter große Oberfläche der Stahlkonstruktion überspannen. Nur zwei Millimeter dick, aber extrem reißfest und tragfähig, was Schnee- und Windlast anbelangt, sowie geräuscharm bei Regen, informierte Werner Fröhlich von der beauftragten Münchner Firma Velabran. Ziel ist, bis zum ZDF-Gottesdienst so viele der sechs Stahlkonstruktionsfelder zu überspannen wie möglich, beginnend von der Bühne her. Die Membran wird dabei auf einer Seite am Stahlbau befestigt und über das Feld gezogen.

Sobald ein Feld fertig ist, sind die Elektrotechniker gefragt. Als selbstbezeichnete „Nischenarbeiter“, die immer wieder zwischendurch agieren, haben die Fachleute der Wipfelder Firma Schneider nach den Vorgaben des Schwanfelder Ingenieurbüros EP Elektroplanung bereits Kabel verlegt, Kabelrinnen gebaut, neue Sicherheitstechnik eingebaut und die Robert-Seemann-Halle mit Brandmeldetechnik versehen. In bis zu drei Schichten wollen sie notfalls im Mai arbeiten, zumal im Stahlgerüst dann noch die Beleuchtung angebracht werden muss.

Eigens für das „besondere Projekt Sömmersdorf“ hat die Oberpfälzer Medientechnik-Firma lionstag ihr Personal aufgestockt. Licht-, Video- und Tontechnik für eine halbe Million Euro werden dort installiert. Eine 28 Quadratmeter große Videowand ist in der Innenbühne bereits aufgebaut, informierte Geschäftsführer Patrick Lehmeier, die ehrenamtlichen Techniker aus Sömmersdorf sind schon geschult. 30 Funkmikrophone sind bereits kalibriert.

Eigene Datenkabel müssen über Leerrohre im Boden von der Videowand zur neu errichteten, 20 Quadratmeter großen Technikkabine am hinteren Zuschauerrand gezogen werden. Noch installiert werden muss auch die Tontechnik.

Für die Lichttechnik werden etwa 1,5 Kilometer Kabel in die Dachkonstruktion gezogen. „Wir werden wohl auch in Nachtschicht arbeiten“, blickt Lehmeier voraus. Als technische Leiterin wird zu den Spielzeiten eine professionelle Medientechnikerin, Marina Dötterl, dem Sömmersdorfer Team zur Seite stehen.

Dass das Bauprojekt auch Nerven kostet, verhehlte Vereinsvorsitzender Robert König nicht. Aber wie er ist auch Bürgermeister Arnold schon ganz gespannt auf das Raumgefühl unter dem neuen Dach.

 

Text: Silvia Eidel, freie Journalistin

 

 

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