Fünf Jesus-Söhne hat Susanne Mergenthal als Maria in 30 Jahren schon beweint. Auch mit dem Rest ihrer Familie ist es nicht so einfach: Der Mann agiert als Jesus-Verurteiler Pilatus, der „echte“ Sohn als Satan, der Schwiegersohn zieht als Apostel mit dem Nazarener durchs Land und die zwei Töchter nebst Enkelin spielen im jüdischen Volk mit. Eine Sömmersdorfer Familie, die sich wie viele andere für die Fränkischen Passionsspiele engagiert.
Zum siebten Mal steht Susanne Mergenthal in diesem Sommer als Mutter Jesu auf der Freilichtbühne. „Ich hab‘ die Maria zum ersten Mal mit 27 Jahren gespielt“, erinnert sie sich an 1988, ein Jahr nach ihrer Heirat mit Dieter Mergenthal und ihren Umzug ins Passionsspieldorf. „Ich war sogar jünger als die beiden Jesus-Spieler“, lacht sie. „Die Falten haben sie mir damals noch geschminkt, heute sind sie echt“, schmunzelt die 57jährige.
Damals wie heute bestimmten die professionellen Regisseure, wer von den Sömmersdorfer Laien welche Rolle bekommt. Und wie die Kostüme aussehen. „Früher hatte ich so eine Art ‘Lourdes‘-Kostüm, mit weißem Gewand und blauem Tuch“, erinnert sich Susanne Mergenthal. 2008 ähnelte ihre Bühnen-Kleidung dann einer Nonnentracht.
„Der große Umbruch kam 2013 mit unseren heutigen Regisseuren“, verweist sie auf Hermann J. Vief und Marion Beyer, die in diesem Jahr ihre zweiten Passionsspiele in Sömmersdorf inszenierten. Als Maria trägt sie jetzt ein schlichtes graues Gewand mit hellgrauem Kopftuch. „Maria war eine Frau aus dem Volk, die ihre Arbeit erledigt, die sich um ihre Familie kümmert. Warum sollte sie ein Madonnengewand tragen?“, erklärt Susanne Mergenthal ihre Rolle, die sie sich mit der zweiten Darstellerin Susanne Brembs teilt.
Verändert hat sich auch der Anspruch der Regie, so authentisch wie möglich die Gefühle dieser Mutter wiederzugeben. „Das soll nicht gespielt sein, die Emotionen sollen echt sein“, erklärt die Laien-Spielerin. „Ich stelle mir vor, dass dieser Jesus mein Sohn ist, mein eigenes Kind“. Weil sie noch dazu von Natur aus ein emotionaler Mensch sei und ihre Gefühle nach außen trage, könne sie auch über den Tod Jesu wirklich weinen. Die Zuschauer erleben ihre Trauer mit, fühlen ihr nach und lassen sich ebenfalls berühren.
Als zwar machtbewusster, aber durchaus zweifelnder römischer Statthalter Pontius Pilatus steht Susannes Mann Dieter Mergenthal auf der Bühne, immer im Wechsel mit Vereinsvorsitzendem Robert König. Der gebürtige Sömmersdorfer Mergenthal führt selbstverständlich die Familientradition fort, auch seine Eltern spielten die Passion schon mit. So wie „Opa Hugo“ war auch Dieter Mergenthal früher im Hohen Rat dabei.
Neben seinem Beruf als Bilanzbuchhalter engagiert sich der 56jährige im Vorstand des Vereins Fränkische Passionsspiele Sömmersdorf, ab 1978 als damaliger Jugendvertreter, seit 2002 als Kassier. „Gerade in diesem Jahr war wegen der Bauarbeiten unheimlich viel zu tun“, sagt er. Das bedeutete für alle Verantwortlichen viele Vorstandssitzungen, viele Entscheidungen und für den Kassier viel Arbeit im Büro.
Sohn Marius verkörpert als Satan im schwarzen, enganliegenden Kostüm und mit diabolischem Blick das personifizierte Böse. Schon als Vierjähriger durfte er 1998 beim Passionsspiel auf die Bühne: als eines der spielenden Kinder. Mit neun durfte er dann das Holzschwert schwingen, mit 13 blies der junge Trompetenspieler live die Fanfare beim Auftritt des Pilatus. 2013 folgte er Jesus als Jünger Johannes, bevor der 24jährige Wirtschaftsinformatiker heuer als Satan beeindruckt.
Auch seine Schwestern waren von klein auf dabei. Die älteste, die 28jährige Lena, brachte nach ihrer Hochzeit ihren Mann Simon Kübler mit nach Sömmersdorf und mit zum Passionsspiel. Er begleitet heuer Jesus als Apostel Matthäus und hat sich natürlich einen Bart stehen lassen. Mit der kleinen Tochter Rosa spielt Lena ebenso im Volk mit wie ihre jüngere Schwester Anna.
Die 26jährige Sonderpädagogin wohnt zwar mittlerweile in Gochsheim, darf aber als gebürtige Sömmersdorferin mitmachen, diesmal im Volk, früher als Herodesdame und ganz früher als strickendes Mädchen bei den „spielenden Kindern“.
Die ganze Familie schätzt das Zusammensein während der Spielsaison. „Man trifft da auch die Leute, die man nicht mehr so oft sieht“, meint Anna. „Oder neu Hinzugezogene, die Anschluss im Dorf suchen“, ergänzt die Mutter. Sie gibt aber zu, dass das Gesamtpaket – mit Beruf, Familie und mit ihren Gästeführungen – schon strapaziös ist. „Es ist eine Aufgabe“, sagt sie. „Aber eine lohnenswerte“.
Text: Silvia Eidel, freie Journalistin