Millimeterarbeit wird derzeit bei der tonnenschweren Dachkonstruktion am Sömmersdorfer Passionsspielgelände geleistet: Ein großer Autokran hievt Stück für Stück die Teile des gewölbten Stahltragwerk in die Höhe, wo sie mit insgesamt drei Tonnen Schrauben zusammengefügt werden. Die Zeit drängt, denn beim live übertragenen ZDF-Gottesdienst am 27. Mai sollte dort keine große Baustelle herrschen. Spätestens bei der Premiere der Fränkischen Passionsspiele am 24. Juni muss das Dach fertig sein.
Das erste der beiden Bogenbinderpaare spannt sich bereits frei über den 45 Meter breiten Zuschauerplatz. Nach Ostern hatte der Dachaufbau mit der Montage der mächtigen, 6,5 Tonnen schweren Stahl-Fußpunkte auf die vier Stahl-Beton-Fundamente begonnen. Wegen des abfallenden Geländes des Zuschauerplatzes, auf dem knapp 2000 Sitzschalen noch montiert werden müssen, sind die Fußpunkte auf den beiderseitigen Widerlagern vorne und hinten unterschiedlich hoch, erläutert Robert König, Vorsitzender des Auftrag gebenden Vereins Fränkische Passionsspiele Sömmersdorf.
Auf die Fußpunkte montiert sind an jeder Seite die ersten Teile der fachwerkartigen Bogenbinderpaare, die gegenläufig geneigt den Platz quer überspannen. Versteift sind diese Stahlteile in der Längsrichtung durch ebenengleich eingebundene Traversen von der Robert-Seemann-Halle bis zur Freilichtbühne, auf 40 Meter Länge. Die beiden Mittelteile, die den ersten Querbogen vervollständigen, wurden in dieser Woche eingesetzt. Elf Meter hoch wölbt sich jetzt der Stahl über den Platz.
Jede einzelne hochfeste Schraube, Größe M 30, mit der ein Monteur vom Hubsteiger aus die Stahlrohre mit 22 Zentimeter Durchmesser verbindet, muss zunächst maschinell angezogen, dann händisch nachgezogen werden. 1620 Newtonmeter Zugkraft sind dafür nötig. „Zum Vergleich: Beim Auto sind es 120 bis 140 Newtonmeter, um Felgen festzuziehen“, staunt der ehrenamtliche Vereinsvorsitzende König, der bis zu seinem Ruhestand als Kfz-Techniker gearbeitet hatte.
Die gewaltige, bogenförmige Dachkonstruktion aus feuerverzinktem Stahl ist in jeder Hinsicht eine Herausforderung. „Hier ist alles rund und nichts gerade“, meint der Montageleiter der Stahlbaufirma Lehmann aus Geretsried, Markus Jakob. Was Planer, Statiker, Produktionsfirma und Monteure vor schwierige Aufgaben stellt.
Die Statik der ästhetischen Konstruktion des Architekten Michael Theiss erwies sich als kompliziert. Waren anfangs 98 Tonnen Stahl im Leistungsverzeichnis aufgeführt, sind es mittlerweile 164 Tonnen. Die Statiker des Schweinfurter Ingenieurbüros Joachim, dazu der Prüfstatiker des Gewerbeaufsichtsamtes, Ralf Gastmeyer – er agierte bereits am Dach des Münchner Olympiastadions – und der Statiker der Produktionsfirma Lehmann gingen auf Nummer höchste Sicherheit.
„Geplant wurde mit zwei Rohren bei den Bogenbinderpaaren, jetzt sind es drei“, erklärt König. Was natürlich die Stahlkosten erhöht.
Auf dem dritten Rohr wird die Münchner Firma Velabran die 1600 Quadratmeter große Oberfläche der Dachkonstruktion mit einer hellen Membran überspannen: Aus Polyestergewebe mit PVC-Beschichtung, nur zwei Millimeter dick, aber extrem reißfest und tragfähig hinsichtlich Schnee- und Windlast und, nach Firmenangaben, geräuscharm bei Regen.
Derzeit wartet man an der Baustelle auf das hintere Mittelteil des Stahlbogens, das noch im Bau ist. Achtfache, teils zwölffache Schweißnähte sind auch dort nötig.
„Für mich ist es faszinierend, was Planer, Statiker und Metaller hier leisten“, zeigt sich König beeindruckt. Denn er weiß, dass bis aufs My, den Millionstel Meter genau, gearbeitet werden muss.
Text: Silvia Eidel, freie Journalistin